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Prädiktoren des transplantationsfreien Überlebens von Patienten mit chronischer linksventrikulärer Dysfunktion

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PD Dr. med. Friedhelm Kuethe, et.al., Jena

Patienten mit einer dilatativen Kardiomyopathie (DCM), inflammatorischen Kardiomyopathie oder (chronischen) Myokarditis präsentieren sich klinisch häufig identisch mit einer chronischen linksventrikulären Dysfunktion. Von den drei genannten Erkrankungen liegt bei der Mehrheit der Patienten schlussendlich eine DCM vor. Diese definitive Diagnosestellung ist jedoch zum Zeitpunkt der initialen Präsentation in der Regel noch nicht möglich. Die Anamnese und die klinische Präsentation sind ebenso unspezifisch wie die Echokardiographie, welche zumeist das Korrelat einer DCM im bildmorphologischen Sinne zeigt. Aus diesem Grund wird der Endomyokardbiopsie mit anschließender histopathologischer Bewertung ein bedeutender Stellenwert für die Diagnosestellung zugeschrieben, da sie eine Untersuchung des Herzgewebes im Hinblick auf Speichererkrankungen, das Vorliegen von Entzündungen sowie zusätzlich den Nachweis viralen Genoms erlaubt. Klassischerweise wird das Vorliegen einer Entzündung im Sinne einer Myokarditis histopathologisch mit Hilfe der Dallas-Kriterien bewertet.

Immunhistochemisch ist der Nachweis von T-Lymphozyten und Makrophagen sowie HLA Klasse II – Antigenen von Bedeutung für die Diagnose einer Myokarditis entsprechend der WHO/ISFC Task Force – Kriterien. Obgleich letzteren Kriterien – insbesondere in Verbindung mit dem Nachweis oder dem Fehlen viralen Genoms – eine Bedeutung in der „Differential-Pathologie“ von Herzmuskelerkrankungen zugeschrieben wird, gibt es bislang keine prospektiven Untersuchungen zur prognostischen Relevanz dieser Parameter an einer großen Patietenkohorte. Gleichwohl liegen uns einige kleinere klinische Studien vor, welche auf der Grundlage der beschriebenen diagnostischen Kriterien an Myokardgewebe durchgeführt wurden und auf die Untersuchung der Wertigkeit immunsuppressiver oder virostatischer Therapien abzielten. In der von uns aktuell präsentierten prospektiven Studie an einer großen Anzahl von Patienten mit einer chronischen linksventrikulären Dysfunktion untersuchten wir den Stellenwert klinischer Parameter, linksventrikulärer Funktionsparameter sowie der linksventrikulären endomyokardialen Biospie für die Prognose der Patienten unter Heranziehung des kombinierten Endpunktes aus Tod jedweder Ursache oder Herztransplantation. Im Zeitraum zwischen 1997 und 2008 wurden 507 Patienten endomyokardial linksventrikulär biopsiert. Ausgeschlossen aus der prospektiven Untersuchung wurden Patienten mit akuten/fulminanten Myokarditiden und sekundären Kardiomyopathien. Die Biopsien wurden histologisch (Dallas-Kriterien) und immunhistochemisch sowie hinsichtlich des Vorkommens viralen Genoms (PCR) analysiert. Diese Befunde sowie die klinischen und die linksventrikulären Funktions-Parameter wurden einer univariaten und auch multivariaten Analyse unter Zugrundelegung der Cox-Regression im Hinblick auf das transplantationsfreie Überleben unterzogen.

Mithilfe der Kaplan-Meier-Methode erfolgte die Erstellung von Überlebenskurven (siehe Abbildung). 351 Patienten (Alter 48±13 Jahre, 281 Männer) wurden in die Untersuchung eingeschlossen und über einen mittleren Zeitraum von 60  39 Monaten nachbeobachtet. 69 (19%) Patienten wiesen positive Dallas-Kriterien auf. Immunhistochemische Kriterien einer Inflammation konnten bei 118 (39%) Patienten nachgewiesen werden. Bei 156 (58%) Patienten ließ sich virales Genom detektieren. 90 Patienten (23%) erreichten den primären Endpunkt aus Tod oder Herztransplantation. In der univariaten Analyse stellten sich das NYHA-Stadium III/IV (hazard ratio 2.1, confidence interval 1.28–3.18, p=0.001), die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) (hazard ratio 0.97, confidence interval 0.95-0.98, p<0.001), der linksventrikuläre enddiastolische Diameter (LVEDd) (hazard ratio 1.04, confidence interval, 1.01-1.07, p=0.002), eine β-Blockertherapie (hazard ratio 0.51, confidence interval 0.24-0.69, p=0.016) sowie eine Dallas-positive Histologie (hazard ratio 0.49, confidence interval 0.33-0.89, p=0.015) als Prädiktoren heraus. In der multivariaten Analyse unter Einbeziehung des Alters der Patienten verblieben die LVEF (hazard ratio 0.97, confidence interval 0.94-0.99, p=0.009), die β-Blockertherapie (hazard ratio 0.41, confidence interval 0.23-0.69, p=0.003) und die Dallas-positive Histologie (hazard ratio 0.42, confidence interval 0.29-0.84, p=0.031) als unabhängige Prädiktoren. Der immunhistologische Nachweis einer Inflammation oder der Nachweis viralen Genoms hatte demgegenüber keinerlei prognostischen Aussagewert. Dies galt auch für alle Untergruppen, in denen die Inflammation mit dem Nachweis oder Fehlen viralen Genoms ebenso wie dem Grad der HLA-Klasse-II-Expression kombiniert wurde. Es zeigte sich sogar ein Trend für ein besseres Überleben von Patienten, bei denen immunhistochemisch eine Inflammation zusammen mit einer mittel-hochgradigen HLA-Klasse-II-Expression vorlag. Die Studie belegt erstmalig an einer Gruppe von Patienten, die sich mit einer chronischen linksventrikulären Dysfunktion vorstellten, dass die endomyokardiale Biospie mit einer histopathologischen Aufarbeitung gemäß den Dallas-Kriterien für die Patienten von prognostischer Bedeutung ist. Es lässt sich vermuten, dass die Dallas-Kriterien in der Lage sind, aus der o.g. Patientengruppe diejenigen Patienten mit einer Myokarditis zutreffend herauszufiltern. Diese Patienten dürften einen weniger langen Krankheitsverlauf haben und sprechen daher prognostisch besser auf eine konventionelle medikamentöse Herzinsuffizienztherapie an. Die immunhistochemischen Kriterien führen demgegenüber wahrscheinlich zu einer Vermischung von Patienten mit einer Myokarditis und Patienten mit einer genetisch bedingten DCM, in denen der Nachweis inflammatorischer Zellen nicht ungewöhnlich, aber für die Pathogenese der Erkrankung ohne Bedeutung ist. Der Nachweis viralen Genoms ist ebenfalls ohne prognostische Relevanz. Ursache hierfür dürfte einerseits eine erfolgreiche Immunabwehr sein, so dass zum Zeitpunkt der Diagnosestellung einer linksventrikulären Dysfunktion ein Virusnachweis aus dem Myokard nicht mehr gelingen kann. Andererseits können Viren als „harmless bystander“ nach einer Infektion – häufig in der Kindheit erworben – lebenslang in Geweben persistieren, ohne einen Bezug zur Herzerkrankung zu haben. Dies ist z.B. für das für Parvovirus B19 bestens bekannt. Aus unserer Sicht ist als Konsequenz aus der vorliegenden Studie eine zur konventionellen Herzinsuffizienztherapie additive medikamentöse Intervention, die eine Beseitigung der inflammatorischen Zellen und/oder viralen Genoms aus dem Myokard zum Ziel hat, bei Patienten mit einer chronischen linksventrikulären Dysfunktion in der Regel nicht indiziert. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8200 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org