Grafenberger Allee 100
40237 Düsseldorf
Tel.: + 49 211 600692-0
Fax: + 49 211 600692-10
info@dgk.org

Erkrankungen des Herzmuskels im Fokus

Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial

Statement Prof. Dr. Hugo Katus, Tagungspräsident; Ärztlicher Direktor der kardiologischen Abteilung am Universitätsklinikum Heidelberg

Mit den Leistungen der modernen Herz-Medizin können wir mit Recht insgesamt zufrieden sein. Wie keine andere medizinische Disziplin trug und trägt sie in den Industrieländern zur verlängerten Lebenserwartung bei. Vor besondere Herausforderungen stellt uns allerdings die Herzinsuffizienz (HI, Herzmuskelschwäche, „Herzschwäche“), etwa 28 Millionen Menschen weltweit und 6,5 Millionen in Europa sind davon betroffen. Pro Jahr kommen in Europa 600.000 neue Fälle hinzu. Überspitzt könnte man sagen: Dank der Fortschritte der modernen Herzmedizin überleben unsere Patienten zum Beispiel den Herzinfarkt, und entwickeln in der Folge eine HI.

Bei der Hälfte aller Patienten mit HI liegt eine Kardiomyopathie – also eine Erkrankung des Herzmuskels selbst – vor. Die HI beeinträchtigt die Lebensqualität schwer – bis hin zur Invalidität und erzeugt erhebliche Kosten (in den USA 2010: 24 Milliarden USD pro Jahr). 50 Prozent der Patienten mit der Diagnose symptomatische HI sterben innerhalb von 4 Jahren, über 50 Prozent der Menschen mit „schwerer“ HI innerhalb eines Jahres. Bei HI kommt es 6-mal bis 9-mal so häufig zu einem tödlichen Herzstillstand wie bei gesunden Menschen.

 

Fortschritte in der Aufklärung der HI-Ursachen

In letzter Zeit wurden allerdings enorme Fortschritte in der Aufklärung der Ursachen der HI und Herzmuskelerkrankungen gemacht. Die Herzmuskelerkrankungen (dilatative, hypertrophische, restriktive und elektrische Kardiomyopathien und die Myokarditis) stellen daher einen klaren Schwerpunkt unserer Jahrestagung dar. Neu sind unter anderem Einsichten in die Bedeutung genetischer Faktoren: Die Kardiomyopathien und die Veranlagung zu einer HI sind in vielen Fällen erblich. Das hat praktische Konsequenzen: Wenn es in der Familie einen einzigen Fall von Herzmuskelschwäche gibt, sollten sich alle Verwandte ersten Grades untersuchen lassen. Das geschieht mittels einer völlig schmerzlosen und ungefährlichen Ultraschalluntersuchung. Die Erkrankung kann so bereits in einem Stadium diagnostiziert werden, in dem sie noch keine Symptome verursacht und daher weder von den Betroffenen selbst noch im Rahmen einer Standard-Untersuchung bemerkt wird.

 

Konsequente, Leitlinien-gerechte Behandlung kann Sterblichkeit halbieren

Die frühe Diagnose ist deshalb wichtig, weil die heute verfügbaren Standard-Therapien das Risiko, an der HI zu versterben, deutlich reduzieren können. Es stehen heute mehrere Gruppen von Medikamenten zur Verfügung: ACE-Hemmer, Beta-Blocker, Diuretika und Aldosteron-Antagonisten. Werden diese Therapien Leitlinien-gerecht eingesetzt, lässt sich die Sterblichkeit infolge HI um rund die Hälfte reduzieren. Die Behandlung der Patienten erfordert jedoch eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Denn wenn der Herzmuskel nicht mehr richtig pumpen kann, sind davon auch alle anderen Organe betroffen. So kommt es zum Beispiel häufig zu Störungen der Nierenfunktion, des Magen-Darmtrakts, des Skelettmuskels oder zu Depressionen, die von den jeweiligen Spezialisten behandelt werden müssen.

Leider sprechen bei weitem nicht alle Patienten ausreichend gut auf diese Therapie an. Die Folge ist dann ein fortschreitendes Versagen des Herzmuskels. Neue Entwicklungen sind daher gefragt. Weil wir die verschiedenen Ursachen der Krankheit immer besser verstehen, zeichnen sich auch neue therapeutische Optionen ab, die über die Standard-Therapie hinausgehen.

 

Differenziertere Diagnosen sollen individualisierte Therapie ermöglichen

Durch neue molekulare Diagnoseverfahren wird man in Zukunft besser zwischen verschiedenen Ursachen und Formen der Herzmuskelschwäche differenzieren können und damit einen Schritt in Richtung einer individualisierten Therapie machen. So sind Patienten mit einer Kardiomyopathie, die durch eine Mutation des Kerneiweiß Lamin bedingt ist, durch eine hohe Rate von plötzlichen Herztod belastet und müssen deshalb frühzeitig mit einem Defibrillator behandelt werden. Aber es hilft auch schon eine rein ultraschallbasierte morphologische Differenzierung der hypertrophischen Kardiomyopathie mit guter systolischer aber schlechter diastolischer Funktion von einer dilatativen Kardiomyopahthie mit Herzvergrößerung und systolischer Herzschwäche.

Der Hintergrund: Erschwerend wirkt sich hier aus, dass es zwei Formen von HI gibt: die systolische Herzinsuffizienz, bei der die Pumpkraft vermindert ist, und die diastolische Herzinsuffizienz, bei der sich das versteifte Herz nicht mehr ausreichend leicht mit Blut füllt. Klinisch sind die systolische und die diastolische HI nicht voneinander zu unterscheiden. Typische Symptome sind Atemnot bei Belastung, reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit, Wassereinlagerungen (Ödeme), eventuell auch Herzrhythmusstörungen. Während jedoch bei der systolischen HI die derzeit bekannten Medikamente die Lebensqualität verbessern und die Lebenserwartung erhöhen können, gibt es bei der diastolischen HI bisher keine wirksamen Medikamente.

 

Bahnbrechende Entwicklungen bei Kunstherzen

Nicht zuletzt geht es auch um die Behandlung von Menschen mit weit fortgeschrittener HI. Da stand uns bislang nur die Herztransplantation zur Verfügung. Nun zeichnen sich aber auch bahnbrechende Entwicklungen in der mechanischen Pumpunterstützung des Herzens ab. Es gibt immer bessere Möglichkeiten, Patienten auch mit Kunstherzen zu versorgen. Der Einsatz dieser Herzunterstützungs-Systeme erfordert jedoch auch den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur zur Betreuung dieser Patienten. 

 

Die Inhalte des Faches Kardiologie müssen an die Dynamik des klinischen Fortschritts angepasst werden.

Die DGK fühlt sich für die Qualität der kardiologischen Versorgung und der Aus-, Fort- und Weiterbildung im Schwerpunkt verpflichtet. Durch die unglaublich rasante Entwicklung des Faches haben sich Subspezialitäten innerhalb der Kardiologie wie zum Beispiel die Rhythmologie oder die Interventionelle Kardiologie entwickelt. Auch diesem gesteigerten Bedarf an Subspezialisierung muss die DGK gerecht werden. Die Herz-Kreislauf-Medizin ist in der Tat ein dynamisches Fach mit spektakulären Entwicklungen in vielen Teilgebieten: Das betrifft zum Beispiel die Rhythmologie, wo wir gelernt haben, bestimmte Herzrhythmus-Störungen durch Interventionen im Katheter-Labor zu heilen. Wenn das nicht möglich ist, stehen heute sehr weit entwickelte Schrittmachersysteme zur Verfügung. Und es betrifft auch die interventionelle Kardiologie, wo wir heute mittels Katheter komplexe Eingriffe an den Herzkranzgefäßen durchführen oder Herzklappen ersetzen können. Ein weiteres neues Gebiet mit zunehmender Bedeutung in der Patientenversorgung ist die Bildgebung des Herzens mittels Kernspintomographie oder anderen modernsten Methoden.

Als Quintessenz dieser Entwicklung sind wir gefordert, unsere jungen Kolleginnen und Kollegen extrem breit auszubilden. Hierzu haben wir eine Reihe von Curricula ausgearbeitet, die die Möglichkeit zur Spezialisierung bieten und somit auch eine intensivierte Ausbildung in einem Teilgebiet der Kardiologie belegen. Eine besondere Erwähnung bedarf die erhebliche Zunahme von MRT-Untersuchungen bei Herzkreislauferkrankungen und die dadurch notwendige Ausbildung der Kardiologen in der Interpretation der MRT- Befunde des Herzens. Eine ähnliche Entwicklung kann für die kardiale CT-Diagnostik vorausgesagt werden.

Nicht zuletzt zählt es auch zu den Aufgaben der DGK, die Bedeutung der Herzkreislauferkrankungen im Allgemeinen und den raschen Wissenszuwachs und methodischen Fortschritt im Fach im Speziellen zu kommunizieren, und zwar sowohl an die breite Öffentlichkeit als auch in der Ärzteschaft. Nur so kann der Patient von den Fortschritten profitieren, die Haupttodesursache in Deutschland wirksam bekämpft werden und können die Ärztekammern die Fortschritte der Herzkreislaufmedizin zum Nutzen der Patienten anerkennen. Durch die Weiterentwicklung der Inhalte, die unser Fach ausmachen und deren Dokumentation in der Weiterbildungsordnung Kardiologie, können wir die praktizierte Kardiologie zum Wohle unserer Patienten weiterentwickeln und zukunftsfähig machen.

 

Kontakt:

Pressesprecher der DGK

Prof. Dr. Eckart Fleck

E-Mail: presse@dgk.org

 

Büro Berlin: 030 / 700159676

 

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8200 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org