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Pressemitteilung DGK

Langzeitauswirkungen auf die Inzindenz von ST- Elevations- Myokardinfarkten nach der Einführung eines öffentlichen Rauchverbotes: ein Vergleich zwischen schweizer Kantonen

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Marcello Di Valentino, MD, Bellinzona 

Passivrauchen erhöht das Risiko einer koronaren Herzkrankheit und eines akuten Myokardinfarktes. Sowohl  eine Aktivierung der Thrombozyten als auch eine akute hämodynamische Antwort auf den  Rauch könnten das Risiko eines akuten Myokardinfarktes in Verbindung mit Passivrauchen erhöhen. Solche akuten Einflüsse sind wahrscheinlich vorübergehend und verschwinden innerhalb einer kurzen Zeit nach Beendigung der Rauchexposition. Epidemiologische Studien vermuten eine Abnahme des Risikos für einen akuten Myokardinfarkt innerhalb von Monaten nach Beendigung der aktiven oder passiven Rauchexposition. Aufgrund der erheblichen Verringerung des Risikos für einen akuten Myokardinfarkt nach Beendigung des Rauchens, haben Maßnahmen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge mit dem Ziel den Tabakkonsum zu reduzieren, möglicherweise einen signifikanten Einfluss auf die weltweite Prävention des akuten Myokardinfarktes.

Der Kanton Tessin ist einer der 26 Kantone der schweizer Eidgenossenschaft mit einer Bevölkerungszahl von ca. 350 000 Einwohnern und repräsentiert ein gut definiertes, politisches Gebiet mit seinem eigenen öffentlichen Gesundheitssystem. Der Kanton Tessin war der erste schweizer Kanton, der im April 2007 ein Rauchverbot eingeführt hat, welches den Tabakkonsum an öffentlichen Orten (öffentliche Verwaltungsgebäude, Cafés, Bars, Restaurants und Diskotheken) verbietet.

Die Schweiz hat ein föderales politisches System und das Rauchverbot wurde erst später in anderen Kantonen durchgesetzt. Dadurch ergibt sich die einzigartige Möglichkeit, die Epidemiologie des akuten Myokardinfarktes in zwei Kantonen mit ähnlichem Gesundheitssystem, aber anderer Gesetzeslage bezüglich des Rauchverbotes zu vergleichen.

Ziele der Studie: Unsere Studie verfolgte demzufolge zwei Ziele: 1) der Vergleich der Inzindenz von Hospitalisierungen aufgrund eines ST- Elevations Myokardinfarktes (STEMI) im Kanton Tessin vor und nach der Einführung des Rauchverbotes und 2) der Vergleich der zeitgleichen Inzidenz von STEMIs im Kanton Tessin mit einer Kontrollpopulation eines Gebietes, in dem das Rauchverbot noch nicht durchgesetzt worden war.

Methoden: Diese retrospektive Beobachtungsstudie wurde in zwei schweizer Kantonen durchgeführt, im Kanton Tessin und im Kanton Basel Stadt. Wir verglichen die Inzindenz von Hospitalisierungen aufgrund eines STEMIs drei Jahre vor und drei Jahre nach der Einführung des Rauchverbotes im Tessin mit der Inzindenz im Kanton Basel Stadt, wo das Rauchverbot noch nicht eingeführt worden war. Wir sammelten retrospektive Daten aller Patienten, welche im Kanton Basel Stadt und im Kanton Tessin mit der Diagnose eines STEMIs entlassen wurden (Ueberlebende und nicht- Ueberlebende), basierend auf der Kodifizierung im Entlassungsregister der Krankenhäuser (ICD-10 codes: I21.0, I21.1, I21.2, I21.3). Die Datenerhebung erfolgte während der drei Jahre vor Einführung des Rauchverbotes im Tessin (12. April 2004 bis 12. April 2007) und während der drei Jahre nach Einführung (13. April 2007 bis 12. April 2010). Für die Analyse wurden nur die Daten der Personen mit Wohnsitzt im Kanton Tessin, bzw. im Kanton Basel Stadt verwendet.

Ergebnisse: Im Kanton Tessin war die durchschnittliche Anzahl der jährlichen Krankenhausaufnahmen für einen STEMI (323) signifikant höher  während der 3 Jahre vor Einführung des Rauchverbotes  als die Anzahl der Aufnahmen  während der 3 Jahre nach Einführung des Verbotes (247, 274 bzw. 244; p- Wert <0,01) (Abb. 1A). Die Analyse der Subpopulationen ergab eine Reduktion in der Gruppe der ≥ 65jährigen beider Geschlechter in jedem der drei Jahre nach Einführung des Rauchverbotes und eine Reduktion in der Gruppe der <65jährigen während des ersten Jahres nach Einführung (p=0,02). Im Gegensatz dazu veränderte sich die durchschnittliche Anzahl der Hospitalisierungen aufgrund eines STEMIs im Kanton Basel Stadt (144) nicht signifikant (p=NS) während desselben Zeitraumes (130, 130 und 80,2) (Abb. 1B). Es wurde aber eine Langzeit- Reduktion der Aufnahmen für einen STEMI im Kanton Basel Stadt in der Gruppe der ≥65jährigen Männer festgestellt (p<0,01).

Fazit: Unsere Arbeit deutet auf einen signifikanten Einfluss der anti- Rauch- Politik auf die Anzahl der jährlichen ST- Elevations- Myokardinfarkte hin. Spezifische Subpopulationen (z.B. ≥65jährige Frauen) profitierten besonders vom Rauchverbot mit einer signifikanten Reduktion der STEMI- Hospitalisierungen.

Wir zeigten eine rasche, signifikante Langzeit- Reduktion in den Hospitalisierungen aufgrund eines STEMI in der Bevölkerung des Kantons Tessin in der Südschweiz nach Einführung des Rauchverbotes an öffentlichen Orten, mit einer mittleren Reduktion von 20,9% während der ersten 3 Jahre nach Gesetzeseinführung.

Unsere Ergebnisse stimmen mit den Ergebnissen vorheriger Studien überein, welche eine vergleichbare Reduktion von akuten koronaren Ereignissen nach der Einführung ähnlicher anti- Rauch- Gesetzgebungen in verschiedenen Ländern gezeigt hatten.

Obwohl eine Kausalität nicht bewiesen werden kann und andere konkomitante Faktoren zur Reduktion beigetragen haben könnten, untermauern die Ergebnisse der gegenwärtigen Studie die vorhandenen Indizien dafür, dass eine anti- Rauch  Politik eine einfache und kostengünstige Maßnahme zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen bieten kann und dass diese in weltweite Präventionsprogramme mit einbezogen werden sollte.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8200 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org